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Viola
Jürgens

Bildhauerin
Malerin

Regioartline
Re­gio­art­li­ne-​In­ter­view mit Vio­la Jür­gens
22.11.2005

Re­gio­art­li­ne: Frau Jür­gens, Sie wid­men sich in Ih­rer künst­le­ri­schen Ar­beit aus­schließ­lich der bild­haue­ri­schen Um­set­zung aus­la­den­der weib­li­cher For­men. „Di­cke Wei­ber” nen­nen Sie die­se zärt­lich re­spekt­los. Wie kam es zu die­ser Kon­zen­tra­ti­on auf ein ein­zi­ges Mo­tiv bzw. Su­jet? Wol­len Sie ih­nen ein Denk­mal set­zen?
Jür­gens: Nein, ein Denk­mal nicht. Wenn das in Bron­ze, Gips oder Ei­sen ge­gos­sen ist, er­gibt das ein­fach ei­ne schö­ne Ober­flä­che.
Re­gio­art­li­ne: Das heißt, das Tak­ti­le, das Hap­ti­sche ist nicht we­ni­ger wich­tig als die Form?
Jür­gens: Ja, man muss die Fi­gu­ren an­fas­sen, um das Wei­che und Run­de da­bei spü­ren zu kön­nen. Oft fra­gen die Be­su­cher, ob man die Fi­gu­ren an­fas­sen darf, und ich ant­wor­te dann, dass man es so­gar soll­te, weil erst dann die Fi­gur mit ih­ren aus­ge­präg­ten For­men er­fass­bar wird.
Re­gio­art­li­ne: Sie zei­gen die­se Fi­gu­ren in al­len mög­li­chen Po­si­tio­nen, Hal­tun­gen und Po­sen. Ent­ste­hen die­se in Ih­rer Vor­stel­lung oder ver­wen­den Sie Mo­del­le da­für?
Jür­gens: Im Grun­de ent­ste­hen Sie aus dem rich­ti­gen Le­ben. Das kann bei­spiels­wei­se ei­ne Frau sein, die sich aus dem Fens­ter lehnt und mir die Idee da­für gibt. Das kann aber auch ein Mann sein. Die­se Zu­falls­mo­del­le müs­sen auch nicht die For­men mei­ner Di­cken Wei­ber ha­ben, es geht mir da­bei mehr um ei­ne be­stimm­te Hal­tung, ei­ne be­stimm­te Po­se, die bei mir hän­gen bleibt und mich dann bei der ei­gent­li­chen Ar­beit in­spi­riert.
Re­gio­art­li­ne: Ähn­lich va­ri­an­ten­reich sind auch die Ma­te­ria­li­en, aus de­nen Sie Ihr Lieb­lings­mo­dell schaf­fen. Ob Bron­ze, Ei­sen, Gips oder Ytong. Wie ent­schei­den Sie, wel­ches Ma­te­ri­al Sie ver­wen­den?
Jür­gens: Am liebs­ten ar­bei­te ich mit Ytong, weil er leicht zu be­ar­bei­ten ist. Al­ler­dings ver­zeiht er auch kei­ne Feh­ler, das heißt, ein fal­scher Schnitt lässt sich nicht mehr kor­ri­gie­ren. Wenn man Ytong an­fasst, ist das ein biß­chen so, als wür­de man Haut an­fas­sen. Das liegt vor al­lem an der Po­rig­keit des Ma­te­ri­als, das ihm ei­nen sehr le­ben­di­gen Aus­druck ver­leiht. Wenn mir dann ei­ne Fi­gur in Ytong be­son­ders gut ge­fällt, über­zie­he ich sie mit Gips, da­mit sich die Po­ren schlie­ßen, um sie da­nach in Ei­sen, Bron­ze oder Be­ton zu gie­ßen.
Re­gio­art­li­ne: For­mal be­rüh­ren Ih­re Ar­bei­ten so­wohl das Fi­gür­li­che wie das Ab­strak­te. Denn es ist nicht zu über­se­hen, dass Ih­re Di­cken Wei­ber aus mehr oder we­ni­ger re­gel­mä­ßi­gen geo­me­tri­schen For­men wie Ku­ben und Ku­geln ent­ste­hen. Da­mit be­we­gen Sie sich in zwei nor­ma­ler­wei­se völ­lig ver­schie­de­nen künst­le­ri­schen For­men­spra­chen.
Jür­gens: Für mich sind sol­che Fra­ge­stel­lun­gen nicht ent­schei­dend. Viel wich­ti­ger ist, ob das Er­geb­nis stimmt. Das heißt, ob das Ma­te­ri­al an­ge­nehm ist und die gan­ze Fi­gur stimmt.
Re­gio­art­li­ne: Ha­ben Sie durch Ih­re aus­schließ­li­che Aus­rich­tung auf ein Mo­tiv nicht das ge­fühl, sich viel­leicht zu sehr zu be­schrän­ken?
Jür­gens: Über­haupt nicht, da mir bei die­sem Mo­tiv un­end­lich vie­le Mög­lich­kei­ten blei­ben. So­wohl was das Ma­te­ri­al be­trifft als auch die Be­we­gun­gen und Po­sen der Fi­gu­ren.
Re­gio­art­li­ne: An klei­ne di­cke Män­ner ha­ben Sie noch nicht ge­dacht?
Jür­gens: Das wä­re et­was pro­ble­ma­tisch, weil der wich­tigs­te Teil im­mer in Ge­fahr ist, ab­zu­bre­chen, vor al­lem beim Ytong. Nein, im Ernst, ich ha­be mir die­se Fra­ge gar nicht so rich­tig ge­stellt, weil es mir kei­nen Spaß ge­macht hat, et­was an­de­res aus­zu­pro­bie­ren. Ich ha­be es zwar ver­sucht, es dann aber wie­der auf­ge­ge­ben.
Re­gio­art­li­ne: Das heißt, wenn man Sie auf­for­dern wür­de, ei­nen Strich zu zeich­nen, wür­de bei Ih­nen au­to­ma­tisch ein Kreis dar­aus.
Jür­gens: (lacht) Ganz si­cher. Es drängt mich zum Run­den.
r/>Re­gio­art­li­ne: Sie ha­ben auch noch nicht ver­sucht, die Be­vor­zu­gung Ih­res Mo­tivs psy­cho­lo­gisch zu deu­ten.
Jür­gens: Nein, das über­las­se ich den Be­trach­tern, die al­ler­dings tun das schon.
Re­gio­art­li­ne: Wür­de man nicht wis­sen, dass es sich bei Ih­nen um mo­der­ne abend­län­di­sche Kunst han­delt, lie­ßen sich Ih­re Fi­gu­ren auch als Kult­fi­gu­ren, z.B. als Frucht­bar­keits­göt­ti­nen le­sen. Pro­test, Ein­spruch oder Zu­stim­mung?
Jür­gens: Ir­gen­wo auch Zu­stim­mung. Vor al­lem we­gen der Göt­ti­nen. Wei­ber ha­ben nun mal ei­ne ganz ei­ge­ne, sehr freu­di­ge Aus­strah­lung, die, glau­be ich, auch et­was be­wir­ken kann. Das sa­gen mir vie­le.
Re­gio­art­li­ne: Apro­spros Kom­men­ta­re. Wie äu­ßern sich Re­zi­pi­en­ten zu Ih­ren Ar­bei­ten? Sind sie für man­che viel­leicht un­an­stän­dig?
Jür­gens: Über­wie­gend po­si­tiv. Es gibt na­tür­lich im­mer wel­che, die das gar nicht ver­ste­hen. Die mei­nen, ich wür­de Frau­en da­mit kri­ti­sie­ren oder per­si­flie­ren, was aber über­haupt nicht mein Be­stre­ben ist. Zu­mal mei­ne Di­cken Wei­ber ja auch Mut ma­chen kön­nen, weil sie zei­gen, dass dick sein auch schön sein kann.
Re­gio­art­li­ne: Gibt es für Sie als Künst­le­rin auch ei­ne Zeit nach den Di­cken Wei­bern oder wer­den Sie ih­nen treu blei­ben?
Jür­gens: Das kann ich jetzt noch gar nicht sa­gen. Viel­leicht ma­che ich ir­gen­wann et­was ganz an­de­res. Aber im Mo­ment bin ich noch sehr zu­frie­den mit mei­nem Mo­tiv, da ich im­mer wie­der neue As­pek­te dar­an ent­de­cke. Das Ar­bei­ten ist für mich nicht et­was, was mir En­er­gie nimmt, son­dern eher so et­was wie Ur­laub. Man hat da­bei sei­ne Ru­he, und es ent­steht et­was, was man ger­ne macht. Al­so Er­ho­lung pur. Das ein­zi­ge, was ich mir mach­mal wün­sche, ist, bei ei­ner Ar­beit so lan­ge dran blei­ben zu kön­nen, bis sie so­zu­sa­gen in ei­nem Rutsch fer­tig ist, was we­gen der an­de­ren Ak­ti­vi­tä­ten meist nicht mög­lich ist.
Re­gio­art­li­ne: Als Toch­ter des be­kann­ten Ma­lers und Plas­ti­kers Hans Baum­hau­er, der au­ßer­dem mit Glas­ar­bei­ten auf der gan­zen Welt ver­tre­ten ist, wur­de Ih­nen die BIl­den­de Kunst so­zu­sa­gen in die Wie­ge ge­legt. Sie ha­ben ihn auch oft bei sei­nen Pro­jek­ten tat­kräf­tig un­ter­stützt. Wel­chen Ein­fluss hat­te er auf Ih­re künst­le­ri­sche Ar­beit?
Jür­gens: Mein Va­ter hat mich schon da­durch un­ter­stützt, dass ich im­mer in sei­nem Ate­lier sein durf­te. Ich hat­te dort auch al­le Ma­te­ria­li­en zur Ver­fü­gung. So bin ich auf­ge­wach­sen. Und als mein Va­ter ge­se­hen hat, dass ich künst­le­ri­sches Ge­schick ha­be, hat er mich er­mun­tert, wei­ter­zu­ma­chen. Als ich dann mei­ne ers­ten Di­cken Wei­ber mo­del­liert hat­te, riet er mir, sie in Bron­ze gie­ßen zu las­sen. Das ha­be ich dann ge­macht.
Re­gio­art­li­ne: Es stell­te auch für Sie kei­ne Be­las­tung dar, ei­nen Künst­ler­va­ter zu ha­ben, an dem man sich un­ter Um­stän­den auch misst?
Jür­gens: Über­haupt nicht. Er half mir, wo er konn­te.
Re­gio­art­li­ne: Sie füh­ren seit 2001 mit Ih­rem Mann Kay Jür­gens, der in sei­nen bild­haue­ri­schen Ar­bei­ten so­wohl for­mal als auch in­halt­lich ei­nen völ­lig an­de­ren Weg ver­folgt, die Werk­statt-​Ga­le­rie. Wel­che Aus­rich­tung hat die­se und in­wie­weit kommt die Ga­le­rie­ar­beit auch Ih­rer künst­le­ri­schen Ar­beit zu­gu­te?
Jür­gens: Die Ga­le­rie ha­ben wir aus der Er­fah­rung ge­grün­det, dass un­be­kann­te Künst­ler es be­son­ders schwer ha­ben, Aus­stel­lungs­mög­lich­kei­ten zu fin­den. Mitt­ler­wei­le ha­ben wir 18 Aus­stel­lun­gen durch­ge­führt mit ganz un­ter­schied­li­chen Künst­lern, be­kann­ten wie un­be­kann­ten. Am An­fang ka­men sie vor al­lem aus der nä­he­ren Um­ge­bung, doch in­zwi­schen streut sich das sehr.
Re­gio­art­li­ne: Spie­len da­bei pri­va­te Kon­tak­te ei­ne Rol­le?
Jür­gens:Zum Teil sind es pri­va­te Kon­tak­te, doch wir be­kom­men auch vie­le Be­wer­bun­gen.
Re­gio­art­li­ne: Herz­li­chen Dank.